Der Berliner Pinselheinrich (Heinrich Zille)



Im Zusammenhang mit Forschungen zur Betätigung des Grafikers Heinrich Zille als Fotograf1 wurde auch dessen genealogische Herkunft geprüft. Daraus ergeben sich drei Erkenntnisse:
Dessen Ahnen lassen sich nicht sicher, wie von Kurt Wensch2 behauptet, bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen.

Wensch nahm auf Grund einer im Kirchenbuch von Altleißnig vermerkten Trauung an, dass der in Colditz ansässige Bürger und Hausbesitzer Johann Gottlob Zille, Großvater des späteren Pinselheinrich, aus Massanei (zur Kirchgemeinde Waldheim gehörend) stammte.

Zweifel ergeben sich, weil zum einen die Familien in Colditz durchgängig Zille, die Familien in Massanei hingegen Zill heißen. Nun ist nicht ungewöhnlich, dass sich Schreibweise von Namen in wenigen Buchstaben unterscheiden, doch findet sich zum anderen in den Familien aus Massanei niemand, dessen Geburtsdatum genau mit dem aus dem Sterbealter errechneten des Johann Gottlob Zille aus Colditz zusammen passt.

Weiterhin ist der Familienname »Zille« in der Umgebung von Colditz verwurzelt, wie auch ein aus der fraglichen Zeit stammendes Dokument im Staatsarchiv Leipzig3 belegt. Somit erscheint eine alleinige Konzentration auf die Verbindung nach Massanei (Waldheim) zumindest nicht gesichert. Andere denkbare Beziehungen zu Familien mit gleichem Namen in der Umgebung von Colditz wurden bisher noch nicht geprüft.

Der spätere Berliner Pinselheinrich hatte einen bisher unbekannten Bruder, der allerdings nur 24 Tage alt wurde. Siehe Original im Kirchenbuch St. Andreas Berlin-Friedrichshain (Microfiche 7406/1 im ELAB Berlin) oder Kopie in https://heinrich-zille.info/urkunden#rudolph-alfred.

Die von der südafrikanischen Politikerin Helen Zille zuvor behauptete Verwandtschaft mit dem Berliner Grafiker lässt sich trotz mehrerer »Heinrich« in deren Stammbaum nicht belegen.

Wohl legt die mehrfache Namensgleichheit eine verwandtschaftliche Beziehung nahe, doch lassen sich Geburtsdaten wie auch -orte nicht in Übereinstimmung bringen. Hier ist zu beachten, dass auf Grund der Vertreibung durch die Nazis Überprüfungen der verwandtschaftlichen Verhältnisse unmöglich wurden. Nach Kenntnis der Überprüfung der genealogischen Stammbäume hat Frau Helen Zille ihre vorherigen Aussagen korrigiert und einen entsprechenden Vermerk in ihre Autobiografie4 aufgenommen.




    
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NachnameVornameGeborenGestorben
ZilleMarie Juliane Wilhelmine 21. Oktober 1827
ZilleMinna Marie Emma 27. September 18931958.
ZilleMoritz Werner 14. April 18705. Januar 1911
ZilleNN 10. Oktober 1919nach. 1943
ZilleNN nach. 1836
ZilleNN nach. Januar 1836
ZilleNN 15. Dezember 1916nach. 1943
ZilleNN 30. Dezember 188630. Dezember 1886
ZilleNN 16. September 18731. Oktober 1873
ZilleNN 18. November 185218. November 1852
ZilleNN vor. 1867
ZilleNN 23. März 183423. März 1834
ZilleOtta Helene (Helen) 9. März 1951nach. 2016
ZilleOtto Gotthard 17. Mai 188214. März 1964
ZilleOtto Wilhelm 15. Januar 1906
ZillePaul Nicholas Walter
ZillePauline Emilie 21. August 18324. August 1834
ZilleRichard Walter 26. Dezember 1876zwischen. 1912 und 1936
ZilleRichard Wolfgang 2. Juli 191229. Juni 2005
ZilleRolf Albert
ZilleRudolf Alfred 16. September 18709. Oktober 1870
ZilleRudolf August Richard 10. März 1851
ZilleWalter Rudolf Otto 9. Januar 18911. Juni 1959
ZilleWilhelm Paul 6. November 18871888.
ZilleWolfgang Ernst 29. Januar 1880nach. 1918
Zille ZillerAugust Heinrich 14. Februar 183117. Januar 1904
Zille ZillerJohann August Heinrich 18. August 179312. April 1855
ZschiecheEmilie Auguste 1. Dezember 1881Oktober. 1955
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Heinrich Zille in unserer Ostmark

Quelle: Neumärkische Zeitung vom 23. August 1929

Daß der vor kurzem verstorbene Heinrich Zille auch eine Zeitlang in Frankfurt a. d. Oder gelebt hat, wird wenig bekannt sein. Sein Aufenthalt, der allerdings nicht ganz freiwillig war, dauerte zwei Jahre, er hat nämlich als Grenadier beim Leibregiment hier von 1880 bis 1882 seiner Dienstpflicht genügt. Zille als Soldat! Ein Bild, das man sich einigermaßen schwer vorstellen kann!

Uns liegen ein paar von Zille eigenhändig geschriebene Ansichtskarten vor, die er in den ersten Jahren des Weltkrieges an einen Stammtisch im Restaurant „Zum Elefanten“ in der Breiten Straße richtete. Auf der einen heißt es „War von 80- 82 in Frankfurt a.d.O., weiß aber nicht, wo der Elefant ist“. Der übrige Inhalt der Karte ist witzig und wohlgelaunt, es handelt sich meist um „Liebeszigarren“, die anscheinend an „Korle“, die von Zille geschaffene Soldatentype in „Bading in Frankreich“ usw., gesandt werden sollten. Und in dem Zille - Buch finden wir auf S. 389 die Wiedergabe einer zum ersten Male veröffentlichten Bleistiftzeichnung „R - raus - s!“, auf der ein Soldat beim Herannahen eines Offiziers die Wache herausruft; es ist offenbar der alte Kasernenhof der „Leiber“ an der Logenstraße dargestellt, denn im Hintergrund erhebt sich unverkennbar Turm und Dach der Marienkirche.

Somit ist die Unterschrift des Bildes „Wachruf aus der Sonnenburger Zeit“ irrig. Ostwald erzählt in dem Kapitel „Heinrich Zille und die Soldaten“, daß Zille auch beim Kommiß seine Zeichenkunst pflegte und sich dadurch bei Vorgesetzten Ansehen und Achtung verschaffte. Manche Geländeskizze, die nach den größeren Übungen die Herren Leutnants dem Obersten vorlegten, stammte vom Grenadier Zille. Sonst ist von irgendwelchen Frankfurter Erinnerungen in diesem Buche nicht erwähnt. Aber Zille war als Soldat auch in Sonnenburg. Mehrmals war er mit einem Zug auf einige Wochen zur Wache in das Zuchthaus Sonnenburg kommandiert. „Schließlich wurde ich so eine Art Vertrauensmann für unseren Leutnant (v. L.). Der war ein ganz versoffenes Huhn und schickte mich vor allem immer nach Bier. Aber weil ich ein Wappen für ihn malte, ließ er stets zwei Glas Bier holen, so daß auch ich nicht Durst zu leiden brauchte.

In der Sonnenburger Kirche hängen Wappen von den Familien, von denen ein Mitglied zum Johanniterorden gehörte. Da hatte denn mein Leutnant auch ein Wappen seiner Familie entdeckt. Und das mußte ich ihm abmalen. Das war mir natürlich lieber als die Bewachung der armen Deibels im Zuchthaus. Wenn ich nun in der Kirche arbeitete - an dem Wappen - bis zur Dämmerung, stand immer eine andere von den vielen Pastorstöchtern an der Kirchentür: „Papa läßt bitten zum Kaffee!“ Der Pastor rauchte seine lange Pfeife, die Töchter strickten oder machten die damals beliebte Spritzmalerei. Ich saß dazwischen, nicht als Kommiß, sondern ich gehörte dazu. So lernte ich auch die Seiten vom Leben kennen.

Dann erzählte er, wie bei der Zuchthauswache die Unteroffiziere auf dicken Filzsohlen zur Kontrolle kamen. Wenn die Posten nicht gleich das Gewehr fällten und anriefen, wurden sie angegeben. Und er erzählt von dem Versuch eines Zuchthäuslers, ihn durch Anreden zu dem verbotenen Antwortgeben zu veranlassen; Zille ging nicht darauf ein, hat den Kerl aber auch nicht gemeldet, obwohl dieser ihm zubrabbelte: „Ick bin ooch aus Frankfurt - ick seh doch, daß du’n Leiber bist...“ das „Zille- Buch“ bietet übrigens für jeden Freund des verstorbenen Zeichners eine Fundgrube in Text und Bild. Über 200 Zeichnungen, die Meisten noch unveröffentlicht; aus dem „Milljöh“, aber auch Aktzeichnungen, Landschaftsstudien aus früherer Zeit.

Kapitel aus Zilles Leben, und eine unendliche Fülle von Anekdoten, kleine Erlebnisse und Beobachtungen; die Berliner Kleinbürger- und Verbrecherwelt, wobei es natürlich nicht ohne Kraßheiten abgeht; im ganzen aber wird durch dies Buch bestätigt, daß Zilles Zeichenstift nicht streitzüchtig, parteilich oder bösartig ist, sondern daß das große Mitleid eines guten Menschen ihn von dieser Unter- und Hinterwelt erzählen läßt; und durch einen leisen Unterton von Humor versteht er die Erschütterung künstlerisch zu mildern. Gewiß ist in den letzten Wochen manches Überschwängliche und Übertriebene von Zille gesagt und geschrieben worden; aber lange ist es her, daß ein deutscher Zeichner so volkstümlich geworden ist, wir brauchen nicht gleich an Ludwig Richter zu denken, aber ein gewisser, wenn auch nicht immer appetitlicher Ausschnitt aus dem Volksleben hat in Zille seinen beherrschenden Darsteller gefunden.




Quellen: